Die Liberalen fordern:
unser Land muss kinderfreundlicher werden!
Das Familienbild unterliegt in besonderem Maße dem gesellschaftlichen Wandel. Neue Lebensentwürfe und Lebensgestaltungen haben zu einer Vielzahl verschiedener Lebensformen geführt. Neben der traditionellen Familie gibt es eine zunehmende Zahl sog. Ein-Eltern-Familien bzw. nichtehelicher oder gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Vor diesem Hintergrund gilt es, den Begriff der Familie neu zu definieren: Familie ist dort, wo Kinder sind!
Hier muss moderne Familienpolitik ansetzen. Sie muss einerseits offen für die Bedürfnisse und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger sein. Andererseits muss sie den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigen. Kernanliegen moderner Familienpolitik ist es, durch eine gezielte Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Entweder-oder-Frage, mit der sich jede moderne Frau früher oder später konfrontiert sieht, endgültig ins Reich der Vergangenheit zu befördern. Eine nachhaltige Verkürzung der im internationalen Vergleich ohnehin unverhältnismäßig langen Ausbildungszeiten würde von den Frauen wenigstens in zeitlicher Hinsicht den Druck nehmen. Mindestens ebenso wichtig wie eine Verbesserung der Rahmenbedingungen erscheint schließlich die Forderung nach einem längst überfälligen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.
Nur mit Hilfe einer modernen und einfallsreichen Familienpolitik können wir es schaffen, der fortschreitenden negativen Entwicklung der Geburtenrate entgegenzuwirken. Letztere muss nämlich – damit eine Bevölkerung nicht schrumpft – bei mehr als 2,08 liegen. In Deutschland jedoch hat sich die Geburtenrate in den letzten 40 Jahren halbiert. Sie liegt derzeit bei ca. 1,29 und ist damit eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa!
Obwohl rückläufige Geburtenziffern in den westlichen Industrieländern kein neues Phänomen sind, können wir uns diese nicht leisten. Denn um die Finanzierung der sozialen Sicherung langfristig sicherzustellen und einer Überalterung der Gesellschaft entgegenzuwirken, sind eine ausreichend hohe Geburtenrate und Elternschaft in relativ jungen Lebensjahren wichtige gesellschaftspolitische Ziele. Die skandinavischen Länder und Frankreich haben es uns vorgemacht: Durch innovative familien- und kinderfreundliche Ideen haben sie die Trendwende geschafft und verzeichnen steigende Geburtenzahlen.
unser Land muss kinderfreundlicher werden durch die Herbeiführung eines Bewusstseinswandels in der Gesellschaft!
Kinderfreundlichkeit beginnt in den Köpfen der Menschen. Unsere Gesellschaft muss die Bedeutung, die Kinder für sie haben, endlich erkennen: Kinder sind Zukunft! Um in diese Zukunft erfolgreich investieren zu können, ist ein Wandel in den Köpfen der Menschen notwendig. Die gesellschaftliche Haltung sowohl gegenüber Kindern als auch gegenüber berufstätigen Müttern muss sich ändern. Berichte, wonach Bürger sich über spielende Kinder beschweren, sind ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Das Bild der Rabenmutter muss ebenso vom Tisch wie das des Heimchens am Herd. Auch muss endlich die Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber jungen Vätern wachsen, welche sich für die Rolle des Hausmanns entscheiden. In einer aufgeklärten modernen Gesellschaft darf ein solches Schubladendenken keinen Platz mehr haben.
unser Land muss kinderfreundlicher werden durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf!
Durch die aktuellen Rahmenbedingungen schreibt der Staat den Menschen bestimmte Lebensformen gewissermaßen vor, denn alle jetzt gegebenen Wegweiser – ob Steuersystem oder Kinderbetreuungsangebot – weisen in Richtung der traditionellen Rollenverteilung. Es sollte jedoch der individuellen und eigenverantwortlichen Lebensplanung der Menschen vorbehalten bleiben, wer wann berufstätig sein will. Egal für welche Rolle Eltern sich entscheiden möchten, sie haben einen Anspruch darauf, dass ihre Entscheidung seitens des Staates respektiert wird. Aufgabe der Politik ist es, diese Wahlfreiheit zu gewährleisten. Nicht weniger und nicht mehr! Dass sie dieser Aufgabe aber derzeit nicht gerecht wird, zeigt ein Blick in die Statistik: Nie zuvor sind in Deutschland so viele und auch hoch qualifizierte Frauen kinderlos geblieben. Darüber hinaus waren im Jahre 2003 nur 13 Prozent der Mütter mit Kindern unter drei Jahren voll erwerbstätig. Familie und Erwerbstätigkeit miteinander zu vereinen, bedeutet in Deutschland einen regelrechten Kraftakt verbunden mit einem nicht unerheblichen Verzicht. Obwohl Umfragen zufolge 80 Prozent der Studentinnen später gerne einmal Kinder hätten, liegt z.B. die Zahl kinderloser Absolventinnen von Hochschulen in Deutschland derzeit bei alarmierenden 44 Prozent. Gerade diese Frauen wollen sich nicht zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen sondern vielmehr beides miteinander vereinbaren.
Es bedarf einer nachhaltigen Verbesserung der hierzulande bestehenden Möglichkeiten zur Vereinbarung von Familie und Beruf. Wirtschaft und Staat leisten sich eine gigantische Verschwendung von Ressourcen, wenn sich aufwendig ausgebildete Frauen in die Familie zurückziehen. Beobachtet man die demografische Entwicklung, wird man feststellen, dass Deutschland es sich nicht leisten kann, das Potential gut ausgebildeter Frauen ungenutzt zu lassen. Spätestens dann wird man auch um die nachhaltige Verbesserung der Rahmenbedingungen nicht umhin kommen. Gelingt es einem Staat, Eltern – und hierbei insbesondere den Frauen die Kombination von Kindern, Karriere und einem eigenständigen Lebensentwurf zu erleichtern, steigen die Chancen auf Nachwuchs. Der zentrale Schlüssel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt in der Kinderbetreuung. Das Angebot an Kinderbetreuungsplätzen, insbesondere im Bereich der Kleinkinderbetreuung, muss nachhaltig verbessert und ausgebaut werden. Träger der Kinderbetreuung in Deutschland sind in erster Linie die Kommunen, Wohlfahrtsverbände und Kirchen. Wenn die Zahl der Betreuungsplätze in Zeiten knapper Kassen nachhaltig gesteigert werden soll, muss man sich über mögliche Alternativen Gedanken machen. Auch private Unternehmen kommen als Anbieter von Kinderbetreuungsleistungen in Betracht. Potenzielle Gründer werden derzeit jedoch abgeschreckt, da sie unter schlechteren Bedingungen arbeiten als die von den Kommunen bezuschussten Wohlfahrtsverbände.
Am Markt für Kinderbetreuung kann so kein Wettbewerb entstehen. Wir sollten daher das bisherige trägerbezogene Fördersystem in Frage stellen und als Alternative zu einer Subjektförderung des einzelnen Kindes übergehen. Staatliche Fördergelder würden nach diesem Modell nicht mehr an die Träger der jeweiligen Einrichtungen, sondern an die Eltern ausbezahlt werden – sei es als Geldleistung, sei es in Form eines Kinderbetreuungsgutscheins. Die Eltern könnten dann selbst entscheiden, welchem Anbieter sie ihr Kind anvertrauen möchten völlig egal ob Verein, Unternehmen, Elterninitiative oder Tagesmutter. Zudem würden hierdurch im Bereich der Kindertageseinrichtungen Arbeitsplätze geschaffen bzw. in der Tagespflege selbstständige Existenzen gegründet. Voraussetzung ist allerdings, dass die jeweilige Betreuungseinrichtung nachweislich festgelegte Standards erfüllt, denn bei allen Überlegungen muss das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen.
Die Qualitätssicherung muss durch ein Zertifizierungssystem gewährleistet werden. Damit wird auch dem Gedanken Rechnung getragen, dass insbesondere die Kindergärten stärker als bislang als grundlegende Bildungs-einrichtungen verstanden werden. Der Kinderbetreuungs-gutschein bzw. die entsprechende Geldleistung sollte un-abhängig vom jeweiligen Einkommen gewährt werden und im Schnitt die Kosten für eine angemessene Halbtags-betreuung abdecken. An den Kosten für eine darüber hinaus gehende notwendige Betreuung sollten sich die Eltern angemessen beteiligen. Zur Finanzierung ist neben einer Umverteilung der bislang im Rahmen der träger-bezogenen Förderung aufgewendeten Mittel für die Klein-kinderbetreuung unter drei Jahren insbesondere auch das Landeserziehungsgeld heranzuziehen (2004: 85 Millionen Euro).
Die qualifizierte Tagespflege als hochwertiges und familiennahes Angebot, welches in besonderem Maße Individualität und Flexibilität erlaubt, muss neben anderen Betreuungsangeboten gestärkt werden. Hierzu müssen klare, verständliche und unbürokratische Regelungen im Steuer-, Sozialversicherungs- und Rentensystem geschaffen werden. Angesichts der aktuell wenig befriedigenden Rechtslage geben viele Tagesmütter ihre Tätigkeit auf oder sehen sich gezwungen, in die Schwarzarbeit auszuweichen. Ferner muss die Einrichtung betrieblicher Kinderbetreu-ungsangebote durch flexible und vereinfachte gesetzliche Vorgaben erleichtert bzw. durch die Schaffung steuerlicher Anreize verstärkt gefördert werden.
Nicht nur aufgrund der Ergebnisse der PISA-Studie, sondern vielmehr auch unter dem Aspekt einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte das Angebot an Ganztagesschulen sowie das Betreuungsangebot während der Ferienzeiten ausgebaut werden. Hierbei sollte geprüft werden, ob und in welchem Umfang gegebenenfalls auch der Einsatz von Lehrpersonal im Bereich der Ferienbetreuung von Kindern in Betracht käme.
Ein weiterer zentraler Punkt in diesem Zusammenhang ist die Unterstützung bzw. Förderung von Bürger- und Elterninitiativen, die durch ihr hohes Engagement bereits heute einen wertvollen Beitrag leisten. Ein Modell beispielsweise, nach welchem sich 5 Elternpaare mit jeweils zwei schulpflichtigen Kindern zusammentun und jedes Elternpaar einmal pro Woche das Mittagessen nicht nur für seine beiden Kinder sondern vielmehr für alle zehn Kinder kocht, ermöglicht es allen Beteiligten, vier Tage pro Woche zu arbeiten. Dies ist jedoch sicherlich nur eine von vielen Möglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements. Um solche Modelle weiter entwickeln und effektiv unterstützen zu können, erscheint es sinnvoll, zunächst im Rahmen einer Studie oder durch eine entsprechende Umfrage bei den Kommunen zu evaluieren, welche Initiativen schon heute in diesem Bereich tätig sind, in welchen Strukturen sie arbeiten und wo Probleme und Hürden gesehen werden. Sodann sollten in einem zweiten Schritt gemeinsam mit den Gemeinden Konzepte erarbeitet werden, wie solche Initiativen verbreitet und unterstützt werden könnten.
Ein letzter wichtiger Punkt für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist schließlich die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort. Eine flexible Arbeitszeitgestaltung, etwa durch die Einführung von Jahresarbeitszeitkonten oder die Schaffung von Telearbeitsplätzen, bietet gute Möglich-keiten, private und betriebliche Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen. Dank der technischen Möglichkeiten und der modernen Kommunikationsmittel sind der Kreativität im Bereich der individuellen Gestaltung der Arbeitszeit kaum Grenzen gesetzt. Nur ein Festhalten an traditionellen starren Teil-zeitmodellen erscheint vor diesem Hintergrund nicht mehr zeitgemäß.
Unser Land muss kinderfreundlicher werden durch Anerkennung familiärer Leistungen!
Die Leistungen von Müttern und Vätern, die sich der Betreuung ihrer Kinder widmen, sollten in der Gesellschaft stärker anerkannt und gewürdigt werden. Entsprechend ist an eine finanzielle Anerkennung durch die Gewährung eines Elterngeldes und einer eigenen Berechtigung im Kranken- und Rentenversicherungssystem zu denken. Derjenige, der die Betreuung seines Kindes selbst übernimmt, soll anstelle des Gutscheins für die Kinderbetreuung den entsprechenden Gegenwert in Form einer monatlichen Geldzuwendung erhalten. Durch diese Form der Bezahlung der Erziehungsleistung würde sich auch die gesellschaftliche Haltung gegenüber nicht berufstätigen Eltern ändern, und Erziehungszeiten würden in der Arbeitswelt nicht mehr wie bislang als fehlende Arbeitszeiten ange-sehen werden, sondern vielmehr als wertvolle Erfahrung.
Unser Land muss kinderfreundlicher werden durch die Schaffung finanzieller Anreize!
Paare, die sich für Kinder entscheiden, müssen steuerlich besser stehen als ohne Kinder lebende Erwachsene. Vor dem Hintergrund dieser zentralen Forderung gilt es, das bisherige Steuerkonzept grundlegend zu überdenken. Familien mit Kindern sind auf verlässliche und transparente finanzielle Rahmenbedingungen in besonderem Maße angewiesen. Eine hohe Planungssicherheit wirkt sich in aller Regel positiv auf die Zahl der Kinder bzw. der Familiengründungen aus. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass zahlreiche individuelle, oftmals wenig transparente Einzeltransferleistungen die Situation von Familien mit Kindern nicht hinreichend verbessern konnten. Maßnahmen wie beispielsweise die in Mecklenburg-Vorpommern diskutierte Einführung von Windelprämien oder die in Schweden seit einigen Jahren existierende Prämie für hohe Zeugungsgeschwindigkeit halten wir daher für wenig zielführend. Aus unserer Sicht gilt es, ein Steuerkonzept zu entwickeln, welches weniger auf unzählige Einzel-transferleistungen als vielmehr auf eine nachhaltige Ein-kommensteuerrechtliche Entlastung von Familien setzt.
Konkret könnte dies wie folgt aussehen:
Die Rechtfertigung, ein verheiratetes Paar steuerlich besser zu stellen als beispielsweise ein unverheiratetes Paar, schwindet zusehends. Stattdessen wird die Einführung eines Familiensplittings nach französischem Vorbild vorgeschlagen. Unabhängig vom Familienstand richtet sich bei diesem Modell die Höhe der Steuerschuld nach der Anzahl der in der Familie lebenden und zu versorgenden Familienangehörigen. Bei der Berechnung der Steuerschuld wird das Haushaltseinkommen durch den sog. Familienquotienten geteilt. Für die Ermittlung des Familienquotienten (Q) kommt folgende Berechnungs-grundlage in Betracht: – jedes Elternteil zählt jeweils 1 Q – das 1. und 2. Kind zählen jeweils 0,5 Q – jedes weitere Kind zählt 1 Q. Das Haushaltseinkommen einer dreiköpf-igen Familie (Mutter, Vater und Kind) würde zur Bemessung der Steuerschuld demnach durch 2,5 geteilt. Bei einer fünfköpfigen Familie läge der Familienquotient sogar bei 4. Auch Alleinerziehende würden von diesem System profitieren, denn in der Konstellation einer berufstätigen Mutter mit zwei Kindern läge der Familienquotient bei 2,0 statt wie bisher bei 1,0. Um etwaige Nachteile sozial schwächerer Familien auszugleichen, soll der neue steuerliche Grundfreibetrag von 7.700 Euro in voller Höhe nicht nur für Erwachsene sondern auch für Kinder gelten, denn auch deren Existenzminimum muss gewährleistet werden.
Daneben müssen die vorhandenen Möglichkeiten einer steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten ausgeweitet werden. Diese sollen nicht mehr wie bislang lediglich als außergewöhnliche Belastung bis zu einer Höhe von maximal 1.500,- Euro pro Jahr absetzbar sein, sofern die Betreuungskosten einen Betrag von 1.548,- Euro übersteigen. Vielmehr sollten erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten künftig als Werbungskosten anerkannt werden.